Von kleinen Ursachen mit großer Wirkung

Die moderne Neuraltherapie verdankt ihr Entstehen einem genial beobachteten und weitergedachten Zufall:

Zwei Ärzte, Ferdinand und Walter Huneke, bemühten sich schon seit Jahren vergeblich um ihre Schwester, die häufig unter heftigen Migräneanfällen litt. Alles, was je gegen dieses quälende Leiden empfohlen worden war, hatte versagt. Die Schmerzen konnten wohl vorübergehend betäub werden, aber von einer anhaltenden Besserung oder gar Heilung konnte keine Rede sein. Bei einem neuen, besonders heftigen Anfall erinnerte sich Ferdinand, dass ihn vor kurzem ein erfahrener Kollege auf ein Rheumamittel aufmerksam gemacht hatte, das ihm bei ähnlich schmerzhaften Erkrankungen gute Dienste geleistet hatte.

Schnell war der Inhalt einer Ampulle dieses Mittels in die Spritze aufgezogen und der Kranken behutsam in die Blutader verabfolgt. Nach den vielen Enttäuschungen versprachen sich beide nicht viel von diesem neuen Versuch. Doch da geschah etwas, was Ferdinand Huneke so erschütterte dass ihn dieses Erlebnis einfach nicht wieder losließ Noch während der Einspritzung verschwanden schlagartig der bohrende Kopfschmerz, das Flimmern vor den Augen, Schwindel, Brechreiz und die gedrückte Stimmung, die für die Migräne kennzeichnend sind. Die schmerzverzerrten Gesichtszüge glätteten sich, und aus der eben noch Verzweifelten war mit einem Schlage ein dankbar lächelnder gesunder Mensch geworden. Wie ein Wunder war das.

Etwas völlig Neues musste hier vorgegangen sein, keine einfache Schmerzbetäubung sondern eine tief greifende Heilung, die den ganzen Menschen mit Leib und Seele wie umgewandelt hatte. Dass der Heilerfolg nach so vielen erfolglosen Spritzen nicht auf Suggestion und Einbildung beruhen konnte, war für Ferdinand Huneke sicher. Er sprach mit seinem Bruder Walter darüber und beide begannen mit dem Mittel Versuche anzustellen. Dabei stellte sich heraus, dass das verwendete Medikament in zwei verschiedenen Fertigungen hergestellt wird. Einmal für Einspritzungen direkt in die Blutbahn und dann für schmerzlose Injektionen in den Muskel mit einem Procain-Zusatz. Procain (= Novocain, Farbwerke Hoechst) ist ein örtliches Betäubungsmittel, das zum Beispiel der Zahnarzt vor dem Zahnziehen spritzt. Ferdinand hatte seiner Schwester versehentlich das procainhaltige Präparat direkt in die Ader gespritzt, und nur dieser Zusatz war es, der den verblüffenden Heilerfolg ausgelöst hatte.

Bis dahin hatte man angenommen, Procain könnte bei Einspritzung in die Blutbahn eine tödliche Hirnlähmung hervorrufen. Ferdinand Hunekes Irrtum hatte nun bewiesen, dass das nicht der Fall ist und dass das Procain außer zur örtlichen Betäubung auch als Heilmittel verwendet werden kann.

Nach dieser Entdeckung setzten sie ihre Versuche mit einer Procainlösung fort, der sie noch etwas Koffein beimengten. Dadurch wurde das Mittel einmal für den Körper besser verträglich und die Wirkung sogar noch erhöht.

Die Firma Bayer in Leverkusen überzeugte sich von der überragenden Heilwirkung dieser Verbindung und brachte sie unter dem Namen »Impletol« in den Handel.

Die Ergebnisse der Versuchsreihen, bei denen die Brüder die Ungefährlichkeit der Injektionen immer erst am eigenen Körper ausprobierten, fassten sie drei Jahre später in einer gemeinsamen Arbeit zusammen, die 1928 unter dem Titel: "Unbekannte Fernwirkung der Lokalanästhesie" veröffentlicht wurde. Das war die Geburtsstunde der modernen Neuraltherapie, wie man die Heilung über das Nervensystem heute nennt. Denn dass das Medikament nicht über das Blut wirkt, wurde dadurch bewiesen, dass chronische Kopfschmerzen und andere Schmerzzustände oft genauso blitzartig verschwanden, wenn das Mittel nicht in, sondern neben die Ader ins Gewebe gelangte.

Die Schnelligkeit der Heilvorgänge die bereits eintreten, bevor das Mittel überhaupt aufgesogen sein kann, lässt an elektrische Abläufe denken. Als Leitungsbahnen kommen dafür nur die Nerven des vegetativen Nervensystems in Frage. Das ist der Teil des Nervensystems, der unserem Willen nicht unterworfen ist. Diesen »Lebensnerven« steht in unserem Körper ein gewaltiges Netz feinster elektrischer Leitungen zur Verfügung das die kaum vorstellbare Länge von zwölf Erdumfängen hat. Jede unserer 40 Trillionen Zellen ist von einer Flüssigkeit umgeben, die das optimale Milieu für eine intakte Zellfunktion aufbaut, die so genannte "Matrix".

Gesundes Leben ist nur möglich, wenn die Ganzheit aller Zellen laufend untereinander Informationen austauschen kann. So können sie den Bedarf an Sauerstoff, Zucker, Eiweiß, Energie und anderen lebensnotwendigen Bausteinen melden. Das intakte Regulations-System wird dann veranlassen, dass der jeweilige Bedarf auch gedeckt wird.

Das "Vegetativum" lenkt überall in unserem Körper die Lebensvorgänge; es regelt die Atmung, Durchblutung, Körpertemperatur, die Tätigkeit der Verdauungsdrüsen, den Stoffwechsel, die Hormonbildung und -ausschüttung es lässt unser Herz schlagen, auch wenn wir schlafen, und steuert all die vielen automatisch ablaufenden Vorgänge ohne die wir nicht leben könnten.

Wir wissen heute, dass auch die Wege zur Krankheit und zurück zur Heilung auf diesen Nervenbahnen verlaufen. Ebenso, dass Procain und die anderen Neuraltherapeutika in der Lage sind, bei richtiger Anwendung am Ort der Störung vegetative Fehlsteuerungen zu beseitigen.

Mit der Wiederherstellung normaler elektrischer Verhältnisse in Nerven und Gewebe wird auch die gestört Funktion wieder normalisiert und damit die Gesundheit wiederhergestellt, soweit das überhaupt noch anatomisch möglich ist.

Krankheit ist fehl gesteuertes lebendiges Ganzes. Es erkrankt nie ein einzelnes Organ allein (das Herz, die Gallenblase, das Auge, das Gelenk usw.), sondern immer der ganze Mensch mit Leib und Seele! Hier regulierend einzugreifen, ist die nicht immer leichte Aufgabe des Arztes.

Das Wissen der Menschheit verdoppelt sich jetzt etwa alle 10 Jahre. Trotzdem reicht es nicht aus, die komplizierten kybernetischen Vorgänge im Lebendigen restlos zu erfassen. Wir sind in der Medizin neben dem Wissen immer noch auf das Können des Heilkünstlers angewiesen, der aus der Erfahrungsheilkunde von Jahrtausenden schöpft und Reaktionen des Lebendigen beobachtet und Nutz bringend verwertet, auch, wenn er ihre Wirkung mit dem heutigen Wissen nicht immer ganz erklären kann.

Gerade in der Medizin sollte nur der Erfolg Ausschlag gebend sein: Wer heilt, hat recht, und was heilt, ist richtig!

Der deutsche Physiologe von Hering prophezeite 1925: "Die weise Benutzung des vegetativen Systems wird einmal den Hauptteil der ärztlichen Kunst ausmachen." Die Brüder Huneke zeigten uns mit ihrer Neuraltherapie, einer echten Ganzheitstherapie, einen guten Weg, es weise zu nutzen, und die Ärzte werden ihnen folgen müssen, wenn sie erfolgreicher sein wollen. Ihr erstes Gebot sollte immer lauten: Du sollst helfen - und das nach bestem Können, Wissen und Gewissen!

Inzwischen hat die Zeit für die endgültig wissenschaftliche Anerkennung der Huneke-Therapie gearbeitet. In Wien fand sich auf Anregung des Neuraltherapeuten Prof. Dr. F. Hopfer ein Team zusammen, das sich zur Aufgabe stellte, die medizinischen Grenzgebiete und die Methoden der Erfahrungsheilkunde wissenschaftlich zu erforschen. Namhafte Gelehrte, wie die Professoren Harrer, Fleischhacker, Kellner und Pischinger gehören der Forschergruppe an. Diese wies nach, dass sich die bisher teilweise umstrittenen Phänomene der Neuraltherapie nach Huneke sehr wohl objektivieren lassen.

Danach sind Krankheiten Folgen von Störungen im vegetativen Grundsystem bzw. Zelle-Milieu-System, wie es Prof. Pischinger nennt. In der Flüssigkeit, die jede Zelle umgibt, endigen die feinsten Ausläufe des vegetativen Nervensystems und der Blutgefäße. Hier werden - letztlich unter Leitung und Kontrolle des gesamten Nervensystems - alle lebenswichtigen Funktionen wie die des Stoffwechsels, der Durchblutung, Temperatur, Zellatmung, des Energiehaushalts und des Gleichgewichts von Säuren und Basen geregelt und bei irgendwelchen Störungen im Organismus nachweisbar in diesem System die ersten Gegenregulationen vorgenommen.

Das Wiener Team bewies, dass Entzündungen, Verletzungen, Bakterienherde, Fremdkörper und Narben nachhaltige Störungen in diesem wichtigen Regulierungssystem hervorrufen können und dass derartige Störfelder und Herde weit über ihre Umgebung hinaus den ganzen Menschen belasten und krankheitsanfälliger machen.

Es liegt nahe, dass bei zusätzlichen Schädigungen, die dann nicht mehr ausgeglichen werden können, Krankheiten besonders leicht an ererbt schwachen oder durch Vorkrankheiten geschädigten Organen oder Regelkreisen auftreten. Man fand bei den Untersuchungen Störfeld bedingte Differenzen zwischen beiden Körperhälften bei den Blutkörperchenzahlen, Temperaturen und dem Sauerstoff- und Energiestoffwechsel und ebenso Abweichungen des Hautwiderstandes und des bio-elektrischen Potenzials, die sich nach der Störfeldbeseitigung mit Procain im Huneke-Phänomen allesamt wieder normalisierten. Diese Ergebnisse beweisen, dass eine gekonnte Procaintherapie, wie sie die Brüder Huneke lehrten, in der Lage sein kann, an den Grundursachen der Krankheiten anzusetzen und Grund legend zu heilen.

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